Promemoria 1795

Das Promemoria aus dem Jahr 1795

Anderweiteres Promemoria des Herrn Fürsten von Speier die Einquartierung des Prinz=Conde’schen Truppenkorps besonders aber die von diesen Truppen in den fürstlichen Hochstifts-Landen verübten Unordnungen, Jagd= und Holzfrevel, wie auch sonstige Exzessen betreffend, nebst Korrespondenz und Beilagen mit Vorbehalt weiters nöthig findender Nachträge.

Promemoria 1795

Quelle: Bayerische Staatsbibliothek (BSB) und Münchener Digitalisierungszentrum (MDZ)

Prinz Conde, auch als Ludwig Joseph von Bourbon (1736-1818) bekannt, war einer der ersten Adeligen Frankreichs, der bei Ausbruch der französischen Revolution im Jahr 1789 ins Ausland floh. Vom Ausland aus opponierte er gegen Napoleon. Die Einquartierung des Conde’schen Truppenkorps im Hochstift Speyer brachte auch Diebstahl und Misshandlungen der Einwohner mit sich, über die im Promemoria von 1795 Protokoll geführt wurde. Außerdem werden in diesem Promemoria auch Fälle der Wilderei und des Holzdiebstahls angeprangert. In Langenbrücken waren dem Promemoria zufolge damals 12 Offiziere, 155 Soldaten und 125 Pferde einquartiert.  In den Auszügen die nachfolgend zitiert werden finden sich typische Namen aus Langenbrücken wieder, aber auch vergessene Namen, deren Träger in Langenbrücken eine Rolle spielten werden genannt. Die interessanten Passagen finden sich in den “Beilagen zum Promemoria” und sind gegliedert in Anliegen, die durch die Gemeinden vorgebracht wurden, wobei es sich hier meistens um Sachbeschädigung oder das nicht  bezahlen für die Verpflegung handelte, sowie Anliegen der Bürger, die Diebstähle und Misshandlungen zu Protokoll gaben.

Ziffer 3 (der Beilagen)

Untersuchungs=Protokoll

Die von den Kißlauer Oberamts Gemeinden Langenbrücken, Oestringen, Mingolsheim, Stettfeld und Zeutern habenden Forderungen an die einquartiert gewesenen Conde’schen Truppen, wie auch die verweigerte Bezahlung derselben betreffend.

Actum Langenbrücken, Dienstag den 10ten Hornung 1795

Praesentibus:

Herr Hofrath und Amtmann Hartleben

et me

Actuario Kayser

Da mehrere zu dahiesigem Oberamte gehörigen Gemeinden beschwerend angezeigt haben, daß die bei ihnen bisher in Kantonnirungsquartier gelegenen Conde’schen Truppen verschiedenes von den betreffenden Gemeinden empfangen, ohne daß dafür, ungeachtet der mehrfältigen Erinnerungen, die schuldige Zahlung geleistet worden; als wurden, aus pflichtmäßiger Sorge für die Aufrechterhaltung der Gemeindskassen, die Vorstände der betreffenden Gemeinden von Amtswegen vorgeladen, und gaben dieselben auf ihre eidliche Amtspflichten an:

§ I. Namens der Gemeinde Langenbrücken:

Schultheiß Johann Adam Dickgieser Gerichtsverwandter Michenfelder, Burgermeister Franz Peter Becker: – Auf Befehl des kommandirenden Obersten Herr Baron von Grünstein seien von der Gemeinde abgegeben worden:

a.) 6. Gebünde Stroh für die Arrestanten, das Gebünd zu 12 kr. = 1 fl. 12 kr. (*1)

b.) Auf die Wachtstube, wo bei offenen Fenstern Tag und Nacht gefeuert wurde, habe die Gemeinde abgegeben 1 ½ Klafter Holz, das Klafter zu 4 fl. = 6 fl.

c.) Zu dem nämlichen Gebrauch 2  (*2) Oehl, da mehr als sonst nöthig gewesen. Zu 20 kr. per.  = 40 kr.

d.) Mittels Frohnden sei herbei geführt worden den 31ten December 1320 Portionen Brod, 1007 Portionen Haber (*3); den 29ten Januar 4574 Portionen Brod, 2758 Portionen Haber. 538 Portionen Heu; den 9ten Februar 2340 Port. Brod, 1446 Port. Haber.

e.) Das Gitter an der Stiege des Rathauses, und mehrere Scheiben in der Wachtstube, seien von den wachthabenden Soldaten eingeschlagen; auch 2 Feuereimer, deren gegenwärtig einer 2 fl. koste, seien von den Soldaten gänzlich ruiniert, und das Leder hievonn weggenommen worden; der gerichtliche Tax dieser Verderbnis betrage 5 fl.  4 kr.

Schultheiß Dickgieser: – Die Forderungen von a. b. und c. habe er vor dem Abmarsche dem Herrn Obersten vorgelegt: allein derselbe habe sich weder verstehen wollen dieselben zu bescheinigen, noch weit weniger aber die Zahlung dafür zu leisten, unter dem Vorgeben: das Stroh müsse umsonst geliefert werden; für Holz und Oehl aber sei zu viel angesetzt. Er, nebst den beiden deputierten könne aber versichern, daß, so viel als sie hier angeben, im geringsten Anschlag mehr als gewöhnlich sei verbrauchet worden.

Ad d. über die Herbeiführung der angegebenen Brod= und Fouragelieferung seien ihnen von dem Herrn Obersten Scheine ausgestellt worden, und es sei somit zu erwarten, ob die Bezahlung dafür beim k.k. Verpflegeamt geleistet werde.

Ad e. Diese zugefügten Verderbnisse seien weder von dem Herrn Obersten bescheinigt. Noch auch bezahlet worden; vielmehr habe derselbe, den Abend vor dem Abmarsche, ihm Schultheiße, ein von ihm selbst gefertigtes Zeugnis eines sehr guten Betragens und gänzlich geschehener Bezahlung vorgelegt; allein er, Schultheiß, habe solches zu unterschreiben verweigert, und sich vor dem Abmarsche dieser Truppen, aus Furcht, mit Gewalt zur Unterschrift gezwungen zu werden, entfernet.

Burgermeister Becker: – Er sei zugegen gewesen, als Schultheiß seine Forderungen angebracht, auch demselben das selbst gefertigte Zeugnis eines löblichen Betragens vorgelegt, von demselben aber die Unterschrift verweigert worden.

Praelecta reaffirmant: dimissi 


Ziffer 4 (der Beilagen)

Untersuchungs=Protokoll

Die von den Hussaren des Conde’schen Regiments Baschy mehreren Unterthanenn des Oberamts Kißlau zugefügten Schaden und Mißhandlungen betreffend.

Actum Langenbrücken , Samstags den 14ten Februar 1795

Praesentibus:

Herrn Hofrath und Amtmann Hartleben

Et me

Actuario Kayser

Bringen nachbenannte Bürger der Gemeinde auf ihre bürgerlichen Pflichten beschwerend vor:

§ 1

Georg Friedrich Heiligenthal: – Am ersten Tage, wo das Conde’sche Regiment Baschy dahier einquartiert worden, seie der Lieutenant Lang, ohne ein Billet zu haben, in sein Haus gekommen, und habe sich eigenmächtig in ein bereits für Gäste bestimmtes Zimmer einquartieren wollen. Seine Frau habe desfalls vorgestellt, diese willkührliche Einquartierung seie besonders in einem solchen Falle sehr druckend, und könne nicht bestehen. Lieutenant Lang habe hierauf seinen Säbel ergriffen, und in der Wirthstube mehrere ansehnliche Gäste, die er für seine Person fälschlich angesehen, gröblich mit Stößen mishandelt, er aber habe sein Heil in der Flucht suchen müssen.

§ 2

Ochsenwirth Walter: – Ein Bedienter von den bei ihm einquartierten Offiziers habe annoch ein Bett für ihn verlangt, welches er zu geben nicht verbunden gewesen; er habe daher geantwortet, daß er kein übriges Bett mehr habe, worauf dieser Hussar in dem gröbstem Tone erwiedert habe: wenn er wolle, müsse er, Wirth, sein eigenes Bett hergeben. Auf Verweigerung habe derselbe den Säbel gegen ihn gezogen, und nach ihm gehauen, er aber denselben mit seinen Leuten aus dem Zimmer gejagt. Der Offizier, dessen Herr, habe, wiewohl er ihm die Geschichte beschwerend erzählt, keine Genugthuung dafür leisten lassen.

§ 3

Engelwirth Schanzenbach: – Ihm seie von einigen Hussaren des Regiments Baschy eine silberne Schuheschnall entwendet worden, er habe desfalls bei‘m Herrn Obersten die Anzeige gemacht; derselbe hate auch Untersuchung angestellt, allein ohne daß der Thäter entdeckt worden.

§ 4

Adam Kuhn: – Es seien ihm von den dahier einquartierten Hussaren fünf Zentner Heu, welche er kurz zuvor erkauft, nebst 15 Bund Gerstenstroh entwendet worden. Man habe noch den anderen Tag in der Frühe die Spuren der Austheilung der Rationen deutlich gesehen. Er habe sich auch bei’m Herrn Obersten beschweret, und um Untersuchung gebeten, welche derselbe auch versprochen habe, aber nicht erfolget sei. Sein Schade betrage 11 fl. 30 kr.

Die bei ihm einquartierten Hussaren Seidel und Burck hätten am ersten Tage der Einquartierung Abends, wo er ihnen Suppe und Grundbirnen hingestellt, einen Salat von ihm verlangt; er habe sich entschuldigt, daß er solchen nicht habe, und das Oehl zu theuer sei, wornöchst beide Soldaten die Schüssel hinter die Thür geworfen, seinen Buben umgestoßen, und ihn in der Absicht zu schlagen, bei der Brust ergriffen hatten. Auf die Vorstellung, daß er ein alter Mann sei, habe er sich von den Schlägen errettet, allein nebst seiner Frau dennoch sein eigenes Bett räumen und es während der ganzen Einquartierung, den beiden Soldaten überlassen müssen.

§ 5

Martin Becker: – Der bei der Georg Walters Wittib einquartierte Hussar, dessen Namen er nicht wisse, habe Absichten auf seine Magd gehabt, und den letzten Morgen vor dem Abmarsche aus Wuth vermuthlich über verfehlte Absicht den Säbel gezogen, und Tisch und Bänke zusammen gehauen, welches er, da es zu spät zu Beschwerdeführung gewesen, ruhig habe übertragen müssen.

Auch seien ihm 2 Zentner Heu von den Hussaren verfüttert worden, welches er den Zentner für 1 fl. 50 kr. Kurz vorher ersteigt habe.

§ 6

Johann Ganninger: – Es sei ihm von den bei ihm einquartierten Hussaren, deren einer Stengel, und der andere Schilli geheissen, eine Kappe entwendet worden; Beschwerde zu führen habe er sich nicht unterstanden. Einer dieser beiden habe den Säbel, als er einstens nach Hause gekommen, gegen ihn gezogen, und ihn mit der flachen Klinge geschlagen, er habe aber aus Furcht vor weiteren Mißhandlungen desfalls keine Beschwerde geführt.

§ 7

Ludwig Baumgärtner: – Es seien ihm 3 Zentner Heu, der Zentner zu 2 fl. entwendet worden, und seine Frau habe selbst gesehen, daß die Conde’schen Hussaren das Heu des Nachts von dem Heuspeicher herabgeworfen. Eine Beschwerdeführung habe er für unnöthig gehalten, weil er den Thäter unter den Hussaren nicht gekannt habe.

§ 8

Schulmeister Hageman von Kronau: – Er habe in des Henrich Merckells Scheuer mehreres Heu sitzen gehabt, wo von den Fuhrknechten der zu Kronau einquartierten Conde’schen 6ten Kompagnie mehrere Pferde im Stall gestanden. Von den Fuhrknechten, welchen diese Pferde gehöret, seien ihm 5. Zentner Heu, a 2 fl. Per Zentner, entwendet worden, die Magd habe diese Leute über den Diebstahl selbst angetroffen, er habe auch dieselbe hierüber zu Rede gesetzt, allein ohne Erfolg, um so mehr als kein höherer Offizier vorhanden gewesen, bei welchem man mit Zuversicht Hilfe habe erwarten können.

§ 9

Balthasar Freund: – Von den bei ihm gelegenen Hussaren, deren einer Burkhard geheissen, sei ihm ein parr Handschuhe entwendet worden: er wisse es gewiß, und könne es noch beschwören, daß dieser Hussar der Thäter gewesen, allein er habe sich aus Furcht nicht unterstanden sich desfalls zu beschweren. Auch sei ihm von demselben ein Huhn todtgeschossen worden.

§ 10

Mathes Kretz, Wittwe: – Sie habe die Pferde der Ordonnanze von dem dahier einquartierten Regiment Baschy im Hause gehabt. Von den zu diesen Pferden gehörigen Hussaren sei ihr über 40 Zentner Heu, der Zentner zu 2 fl. entwendet worden, und in der letzten Nacht hätten diese Hussaren auch sogar die Riegelwände des Stalles und der Scheuer zusammen geschlagen, um desto ungehinderter Heu entwenden zu können. Sie habe sich hierüber bei’m Hrn. Obersten beschweret, und um Hilfe auch Untersuchung dieses großen Schadens gebeten, allein derselbe habe sie, ohne ihre Klage anzuhören, durch den Bedienten herauswerfen lassen, wie ihr Balthasar Dickgieser bezeugen könne.

Balthasar Dickgieser deponirt auf seine Bürgerpflichten: er habe die Kretzische Wittwe zum Herrn Oberst begleitet, um daselbst für sie zu sprechen, der Herr Oberst nebst mehreren Offiziers seien beisammen gewesen; man habe ihm aber sogleich bedeutet, die Stube zu verlassen, und als er nebst der Kretzin Wittib hierauf gebeten, ihre Beschwerde anzuhören, sei dieselbe auf Befehl des Herrn Obersten zu Thür hinaus geführet worden.

§ 11

Johann Koser: – Der bei Johann Adam Kuhn einquartierte Hussar namens Teimel, habe ihm in Begleitung von 2 anderen Hussaren einen Hammel den dritten Tag der Einquartierung des nachts entwenden wollen; er nebst seinen Söhnen habe aber den Hussar über dem Diebstahl ertappt, und die Soldatenpatrouille zu Hilfe gerufen; allein dieselbe habe ihm erwiedert, daß sie außer der wache Pnichts zu thun haben. Den anderen Tag habe er mit Unterstützung des Oberamts den Hussaren beim Herrn Obersten angeklagt; derselbe sei mit 50 Prügel bestraft worden, und habe, weil er angegeben, daß er von einem Bauern die Anleitung erhalten, so lange in Arrest verbleiben sollen, bis er den Bauer nenne; allein da er dieses nicht gekönnt habe, weil sein Angeben eine Lüge gewesen, so seie er losgelassen worden. Die Folge hievon seie gewesen, daß man ihm den Tag vor dem Abmarsche die Fensterscheiben eingeschlagen.

§ 12

Peter Ringshausers, Schmiedts, Witt.: – Von verschiedenen Hussaren seien Pferde bei ihr gestanden, und fast jede Nacht Heu, im ganzen wenigstens 2 Zentner entwendet worden. Die Hussaren hätten immer die Wand zu Beförderung ihrers Diebstahls durchbrochen, sie habe sie mehrmalen zu Rede gesetzt, allein aus Furcht habe sie zu klagen sich nicht unterstanden.

§ 13

Johann Joniz: – Von den dahier einquartierten Conde’schen Hussaren seien ihm 2 Zentner Heu und 5 Bund Stroh entwendet worden; er wisse es gewiß, und könne es nöthigen Falls, weil er sichere Merkmale habe, noch besonders beschwören, daß dieser Diebstahl von den Hussaren verübt worden. Eine Klage zu führen habe er sich aus Furcht für Mißhandlungen nicht unterstanden.

Bei der zweiten Einquartierung des Regiments Baschy, sei ihm ein Hemd von den bei ihm einquartierten Hussaren, entwendet worden. Die Namen derenselben wisse er nicht, wohl aber, daß diese die Thäter der Entwendung gewesen.

§ 14

Andreas Heißler: – Die bei ihm im Quartier gelegenen Hussaren Namens Baumöhl und Großmann seien ihm Kost und Brandwein schuldig verblieben; er habe sich desfalls beim Herrn Obersten beschweret, und die Decke der Pferde zur Sicherheit zurückgehalten. Gleich bei’m Eintritt in des Herrn Obersten Zimmer habe ihm derselbe gesagt, daß , wenn er die Decke nicht herausgäbe, er ihn werde schliessen, und in’s Hauptquartier abführen lassen; er habe hierauf seine Beschwerde wehmüthig vorgestellt, und der Herr Oberst habe ihm die Versicherung ertheilt, daß er seine Bezahlung von dem Korporal erhalten solle. Voll Trost seie er hinweggegangen, allein unten an der Treppe des Engelwirthshauses, wo der Herr Oberst gewohnet, sei der Korporal gestanden, und habe ihm 7 bis 8 Hiebe, welche sehr empfindlich gewesen, mit dem Stocke gegeben.

§ 15

Johann Brecht: – Ein Hussar, welcher bei ihm im Quartier gelegen, habe Sonntags während der Kirche Dörrfleisch aus dem Hafen genommen; er habe den Hussaren hierüber zu Rede gesetzt, allein derselbe habe sowohl ihn als seine Frau mit dem Stocke geprügelt. Seine Frau seie zum Herrn Obersten gesprungen, und habe sich desfalls beschweret, derselbe habe sie versichert, daß ihr künftighin kein Leid zugefügt werden solle, und sofort seien auch diese Hussaren hierauf ruhig verblieben.

Auch seie ihm von den nämlichen Hussaren ein Loch in die Wand durch den Stall gebrochen, und 2 Zentner Heu entwendet worden.

§ 16

Anton Speckard: – Mehrere dahier einquartierten Conde’schen Hussaren hätten ihm fünf Zentner Heu in einer Nacht entwendet, er habe zuverläßig gewußt, daß es die Husaaren gewesen, allein zu klagen habe er aus Furcht für Schlägen sich nicht getrauet.

Praelecta reaffirmant: dimissi

Conclusum.

Ist das abgehaltene Protokoll an Celissimi Hochfürstl. Gnaden gehorsamst einzusenden.

In Fidem:

Kayser, Actuar.


(*1) fl. = Abkürzung für Gulden, kr. = Abkürzung für Kreuzer – 72 Kreuzer = 1 Gulden
(*2) = Zeichen bzw. Abkürzung für Pfund
(*3) Haber = süddeutsch, österreichisch, schweizerisch mundartlich für Hafer (siehe Duden)